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Interview: Dr. Martin Rosemann, MdB

DEGEMED: Im Rahmen der Schlussveranstaltung der Reha-Zukunftsstaffel Ende März haben Sie gesagt, dass Sie die Reha sexy machen wollen. Wie genau können wir uns das vorstellen und was kann die DEGEMED dazu beitragen, um Reha sexy zu machen? 

Rosemann: Wir brauchen eine aufsuchende Präventions- und Rehastrategie, die Bedarfe frühzeitig erkennt und den Betroffenen passende Maßnahmen proaktiv anbietet. Wichtig sind dabei gute Information und Beratung. Und dabei sollte man auch neue Wege gehen: Eine Mitmach-Kampagne, finanzielle Anreize oder die Nutzung von Online-Spielen. Eines meiner Lieblingszitate lautet: „Der Kopf ist rund, damit die Gedanken die Richtung wechseln können.“ In jedem Fall müssen Informationen verständlicher aufbereitet werden und sich gezielter an den Lebenslagen und individuellen Bedürfnissen der Leute ausrichten. Die Reha-Träger müssen dabei stärker an einem Strang ziehen: ihre Leistungen aufeinander abstimmen und dann Angebote gemeinsam an Betriebe herantragen.  

Auch bei den Angeboten halte ich es für wichtig, nach individuellen, flexiblen Lösungen zu suchen, statt Standardlösungen anzubieten. Die Lebenslagen, Voraussetzungen und Arbeitsbelastungen der Beschäftigten sind so unterschiedlich – das sollte sich im Reha-Angebot widerspiegeln. Da braucht es einen ganzheitlichen Ansatz. Die SPD sieht den Sozialstaat als Partner der Beschäftigten im Arbeitsleben – der in gute Arbeit und Gesundheit investiert.  

 
DEGEMED: Damit den Reha-Einrichtungen auf dem Weg zu diesem Ziel nicht die finanziellen Mittel ausgehen, muss das Reha-Budget bedarfsgerechter ausgestaltet werden. Wann und wie werden Sie diesen Auftrag aus dem Koalitionsvertrag umsetzen? 

Rosemann: Ich sehe die Deckelung der Ausgaben der Rentenversicherung für Prävention und Rehabilitation durch das Reha-Budget kritisch. Denn das Reha-Budget kann dazu führen, dass Kostengesichtspunkte handlungsleitend sind. Dabei lohnt sich Reha auch aus finanzieller Sicht: Sie kann Ausgaben bei der Erwerbsminderungsrente vermeiden. Deshalb würde ich der Selbstverwaltung hier gerne mehr Verantwortung geben. Leider konnten wir uns bisher nicht auf die Aufhebung des Reha-Budgets verständigen. Immerhin haben wir in den Koalitionsverhandlungen die bedarfsgerechte Ausgestaltung des Reha-Budgets erreicht. Denn wir sind uns einig, dass wir Reha als Investition verstehen. Deshalb verfolgen wir die Wirkung des Budgets ständig. Wenn wir den Eindruck bekommen, dass das Budget dazu führt, dass bei der Reha gespart wird, werden wir handeln. Außerdem steht noch ein großes Gesetzes-Paket für die Stärkung von Prävention und Reha an. Und da schauen wir uns dann auch das Budget für die kommenden Jahre genau an.  
 
DEGEMED: Im Koalitionsvertrag steht darüber hinaus, dass die Bundesregierung die Rehabilitation stärker auf den Arbeitsmarkt ausrichtet und die Sozialversicherungsträger zu Kooperationsvereinbarungen verpflichtet. Wie zuversichtlich sind Sie, dass Sie dieses Ziel in den verbleibenden zwei Jahren der Legislaturperiode umsetzen können?  

Rosemann: Das wird die Ampel umsetzen. Bei diesem Thema gab es schon in den Koalitionsverhandlungen die größte Einigkeit. Und es gehört zu unserer Fachkräftestrategie. Die setzen wir gerade Schritt für Schritt um. Dass Beschäftigte länger gesund arbeiten können, ist in ihrem eigenen Interesse, im Interesse der Unternehmen und im Interesse der gesamten Gesellschaft. Deshalb verstehen wir Prävention und Reha auch als Teil der Arbeitsmarktpolitik. Konkret werden wir einen Aktionsplan „Gesunde Arbeit“ ins Leben rufen und das betriebliche Eingliederungsmanagement stärken. Darüber hinaus werden wir den Zugang zu Prävention und Reha weiter vereinfachen. Das gilt für alle Zugangswege. Wir wollen flächendeckende und bedarfsgerechte Angebote in den Betrieben. Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir die Sozialversicherungsträger zu Kooperationsvereinbarungen verpflichten werden. Und unabhängig vom Betrieb werden wir den Beschäftigten ab 45 Jahren ein flächendeckendes Angebot für den berufsbezogenen Gesundheitscheck machen, den es bisher nur als Modellversuch gibt. 
 

DEGEMED: Derzeit können nur Arbeitnehmer_innen Präventionsleistung der Deutschen Rentenversicherung (DRV), das sogenannte RV-Fit, nutzen. Warum können Menschen ohne bestehendes Beschäftigungsverhältnis nicht ebenso Präventionsleistungen in Anspruch nehmen? 

Rosemann: Da sprechen Sie ein zentrales Thema an. Denn gerade Langzeitarbeitslosigkeit geht sehr häufig mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen einher. Manchmal weiß man dann nicht mehr, was zuerst da war – die Arbeitslosigkeit oder die Krankheit. In jedem Fall stehen die gesundheitlichen Einschränkungen sehr häufig einer Integration in Arbeit entgegen. Deshalb wollen und müssen wir da ran. Durch das Bundesprogramm RehaPro gibt es erste erfolgversprechende Ansätze. Im Bürgergeldgesetz wurde auf Initiative der SPD das Thema Gesundheit in der Beratung gestärkt und als Thema bei der Erstellung des Kooperationsplans mit aufgenommen. Dabei wollen wir nicht stehen bleiben, sondern die Ansätze aus RehaPro verbreitern und möglichst ins Regelgeschäft überführen. Ich halte auch finanzielle Anreize zum Beispiel durch den Bürgergeldbonus für denkbar. Klar ist aber auch, dass die Jobcenter das nicht allein schaffen können, sondern nur in starken Netzwerken.  

DEGEMED: Der Zugang zum RV-Fit Programm der DRV erfolgt überwiegend online und ohne Genehmigungsverfahren. Halten Sie es für denkbar, dass auch der Zugang zur Reha zukünftig ähnlich barrierearm werden kann? 

Rosemann: Zumindest muss das Antragsverfahren vereinheitlicht und vereinfacht werden. Wir setzen uns dabei für einen niedrigschwelligen, schnellen und barrierefreien Zugang zu einer personenzentrierten Leistung ein. Gerade bei bürokratischen Prozessen gibt es da noch viel Luft nach oben. Unkompliziertere Antragsverfahren sind da ein Win-Win: Weniger Kosten und ein einfacherer Prozess bei der Antragsstellung. 
Das Hauptproblem ist aber, dass den Betroffenen eine Reha als Option nicht proaktiv angeboten wird. Selbst wenn jemand alle Voraussetzungen erfüllt, muss er oder sie in der Regel selbst erkennen, dass eine Reha-Maßnahme infrage kommt und dann auch viel Durchhaltevermögen mitbringen in dem Antrags- und Bewilligungsprozess. Das ist ein großes Hindernis für das Konzept „Reha vor Rente“. Wir wollen dahin kommen, dass Reha aktiv angeboten wird und auch einfach von der Hausärztin verschrieben werden kann. Das klappt bei bestimmten Reha-Maßnahmen ja auch heute schon: bei der Anschlussheilbehandlung und bei der geriatrischen Rehabilitation. Ich kann mir auch bei weiteren Indikationen vorstellen, dass eine Rehabilitation regelhaft zu erbringen ist und direkt, ohne aufwändige Genehmigungsverfahren, eingeleitet werden kann. Das verlangt auch mehr Wissen über Rehabilitationsmedizin bei den Hausärzten. Meine Vorstellung ist aber auch, dass jeder und jede, der oder die eine Erwerbsminderungsrente beantragt, immer zuerst das Angebot für eine Reha bekommt. 

Das Gespräch führte Vera Knieps. 

Foto: Dr. Martin Rosemann, MdB, Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion für Arbeit und Soziales, während der Abschlussveranstaltung der Reha-Zukunftsstaffel im Deutschen Bundestag Ende März. 

Kontakt:

Vera Knieps
Referentin Politik

Tel.: 030 / 28 44 96-80
Fax: 030 / 28 44 96-70

v.knieps@degemed.de

Interview: Jens Teutrine, MdB

DEGEMED mit Dialog mit: Jens Teutrine, MdB (FDP), Sprecher für Bürgergeld und Pflegepolitik, Vorsitzender der Jungen Gruppe der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag, Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales und im Gesundheitsausschuss

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